Vater-Suche

Meine Hoffnung ist, dass ich über diesen Blog ein paar Leute finde, die so ähnlich "ticken" wie ich, die einen ähnlichen Hintergrund haben, ähnliche Fragen bewegen und auch auf der Suche sind nach diesem Vater-Gott. Wenn es dir ähnlich geht, dann kannst du dich gerne bei mir melden: vatersucher-1 (at) yahoo.de

Sonntag, Juli 02, 2006

Joh 15,2 und das Gottesbild: Ein Gott, der die Fruchtlosen abschneidet? Oder einer, der die Fruchtlosen fruchtbar macht?




War heut mal wieder bei Storchs blog und fand da einen sehr inspirienden Beitrag "zu Johannes 15,2"
Ich mußte dann auch gleich folgenden Kommentar dazu schreiben:

Dein Text hat mich regelrecht elektrisiert, weil das für mich mal wieder ein Beispiel ist für die These:
"Gott ist viel wohltuender, unterstützender und liebevoller als unsere beschränkten deutschen Bibelübersetzungen uns vermitteln."
Oder anders gesagt: Das Problem der Christenheit ist aus meiner Sicht ein verzerrtes oder sogar falsches Gottesbild - was unter anderem aufgrund irreführender, angstorientierter und teilweise "himmelschreiender" Fehlübersetzungen der Bibel entstanden ist.


Das Thema Gottesbild beschäftigt mich schon seit längerem. Für mich ist es das Kernthema, der Schlüssel für alles andere. Ich lese die Bibel eigentlich nur noch unter dem Fokus:
"Gott, wie bist du? Bist du knallharte Herrscher-Gott, für den "die Furch des Herrn" das wichtigste ist oder bist du der unterstützende, geniale, mitfühlende, liebende Vater-Gott?
Wie bist du wirklich? Welche Wesenszüge überwiegen - das Beänstigende an dir oder das Aufbauende, Tröstende, Stärkende und Liebevolle an dir?"


Meine langsam stärker werdende Überzeugung ist folgende: Gott ist viel unterstützenden, genialer, mitfühlender, liebender und väterlicher als die meisten Christen denken und fühlen (mich eingeschlossen).

Ich finde immer mehr Hinweise und Belege in der Bibel, dass er wirklich so ist. Aber man muß dafür tatsächlich tief graben. Ich lese eigentlich nur noch in den Bibeln, die mir einen Rückgriff auf den hebr. oder griech. Grundtext erlauben. Leider kenn ich da als Buch nur die Elberfelder Sprachschlüsssel-Bibel - die das auch nur eingeschränkt ermöglicht - aber immerhin.
Ansonsten lese ich eigentlich nur noch in meiner uralten Online-Bibel und zwar in der Luther von 1912 mit STRONGS-KODIERUNG. Wenn ich die beiden Bibeln dann kombiniere (leider ist das noch etwas umständlich, weil der Elbefelder Sprachschlüssel nicht kompatibel ist zum Strongscode - aber es geht...)
Jedenfalls gibt es doch schon erstaunliche Dinge, die man da entdecken kann - auch ohne jede Sprachkenntnis (ich kann nicht mal das griech. Alphabet).
Auch das Bibellexikon von Rienecker ist als Ergänzung ganz hilfreich... alles sehr laihenhaft, aber mehr kann ich mir grad nicht leisten und ich hab zur Zeit auch nicht die Power die beiden Sprachen jetzt wirklich zu lernen. Später vielleicht mal.

Nun zu der Stelle in Joh 15,2
Jede Weinrute an mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, die Frucht bringt, die reinigt er, daß sie mehr Frucht bringe.


laut Onlinebibel/Strongs steht für das Wort "Rebe":

2814 klema

Erg. von 2806 (w. d. Abgebrochene); Subst.neut. (4)

I.) d. Weinranke
1) ein junger, zarter, biegsamer, abgebrochener oder abgeschnittener Zweig d. verwendet wird um woanders wieder eingepflanzt zu werden;
d. Setzling, d. Reis; spez. d. Weinrebe, Die Ranke des Weinstocks welche im Frühjahr gestutzt, oder, wenn sie keine Fruchtknospen hat, ganz abgeshnitten wird um nach dem Trocknen mit Feuer verbrannt zu werden. # Eze 15:2 17:6 , 7 Joh 15:2 , 4 , 5 , 6


Auch die Winzer unterscheiden da eine Vielzahl von Begriffen. So wie ich das Nichtfachmann bisher verstehe wird der Begriff "Rebe" eher als Synonym für Weinstock verwendet. Nach Winzersprache ist Jesus daher sowohl die Weinrebe als auch der Weinstock, da beide Begriffe das gleiche bedeuten. In Abgrenzung dazu sollten wir den Begriff Weinrute bzw. Weinranke einführen (siehe Strongs-Kommentar zu dem griech. Wort "klema"). Die Winzer bezeichnen den einjähriger sehr langen Trieb eines Weinstocks als "Weinrute" (Kurzform: Rute oder auch Fruchtrute).
An der Weinrute/Fruchtrute wachsen dann die Weintrauben, die widerum aus vielen einzelnen Beeren/Früchten bestehen.

In korrekter Weinfachsprache müßte Joh 15,2 so lauten:

Jede Weinrute (Fruchtrute/Rute; griech: klema) an mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, die Frucht bringt, die reinigt er, daß sie mehr Frucht bringe.


Interessant ist auch dieser kleine Text über die "Weinstockpflege/-Erziehung":

Vielfältige Methoden, mit denen der Wuchs des Rebstocks gelenkt und das Aussehen des Weinbergs gestaltet wird. Die Rebstockerziehung bestimmt das Unterstützungs-System und die Art und den Zeitpunkt des Rebschnitts. Der Rebstock ist eine Kletterpflanze (Liane), die sich nicht selbst aufrecht halten kann und daher eine Kletterhilfe oder Trägerstruktur benötigt. Die Wildreben rankten sich zumeist an jungen Bäumen hoch und wachsen mit diesen in die Höhe. Der Mensch hat deshalb schon vor Tausenden Jahren begonnen, entsprechende künstliche Unterstützungs-Einrichtungen wie Pfähle, Gestelle, Latten oder gespannte Schnüre und Drähte einzusetzen. Die einzelnen Formen werden nach der Höhe des Rebstammes, nach dem Pflanzabstand zwischen den Rebstöcken und nach der Art der Befes...


Also der Weinstock braucht für seine Weinruten ein Stützsystem. Er braucht etwas wo sich seine Ranken festklammern können.
Aus geistlicher Sicht ist das ein gutes Bild, wie sehr wir auf Unterstützung und Pflege vom Vater (dem Weingärtner) angewiesen sind.
Hier gibt es dazu noch ein kleines Bild:

vertiefende Infos über
"Weinstock - Erziehung und Aufbau" (mit Bildern)


Nun zu dem Wort "wegnehmen" (griech.: "airo". Die Onlinebibel/Strongs schreibt folgendes:

142 airo

aus d. W. ver-([auf]heben); Vb. (102) Gräz.: Papyri: (ein Kleidungsstück) stehlen; etw. an einen anderen Ort
transportieren.

I.) aufheben
1) eigtl. und übertr.: etw. in d. Höhe heben; aufwärts...; erheben.
# De 32:40 Isa 5:26 1Sa 11:4 Mt 9:6 Joh 8:59 10:24 11:41* ua.
2) als seemännischer t.t.: d. Anker lichten. # Ac 27:13
3) etw. (aufheben und) mit sich tragen. # Ps 91:12 Mt 4:6 16:24* ua.
4) etw. (aufheben und) wegtragen, forttragen, fortschaffen, wegnehmen.
# Mt 14:12 21:21 Joh 2:16 11:39 , 41 19:31 , 38 20:1 1Co 5:2 6:15* ua.
5) etw. gewaltsam wegnehmen, vertilgen, vernichten, beseitigen; (Wassertriebe) abschneiden.
# Isa 57:2 1Sa 15:25 Mt 13:12 Joh 15:2 1Co 5:2 6:15 Eph 4:31* uva.


Ich hab mal ein paar Bedeutungsvarianten fett hervorgehoben. Wenn man die jetzt in den ersten Teil des Verses einsetzt, dann klingt das so:
-Jede Weinrute an mir, die nicht Frucht bringt, "die hebt er auf";
-Jede Weinrute an mir, die nicht Frucht bringt, "die hebt er in die Höhe";
-Jede Weinrute an mir, die nicht Frucht bringt, "die erhebt er aufwärts (die hebt er nach oben)";
-Jede Weinrute an mir, die nicht Frucht bringt, die hebt er hoch (aus der dunklen Tiefe), so wie man einen "Anker lichtet" (aus den Tiefen des Meeres);
-Jede Weinrute an mir, die nicht Frucht bringt, "die hebt er auf und trägt sie mit sich". (siehe Mt 4,6 + Ps 91,12)


Ist das nicht genial?
Die letzte Variante finde ich am schönsten. Aber die anderen sind doch auch sehr deutlich, oder?

Könnte es sein, dass die Übersetzer (bei allem Respekt für ihre Leistung) hier etwas daneben gegriffen haben? Könnte es sein, dass sie sich hier vielleicht aufgrund ihres eigenen eher strengen und angstgeprägten Gottesbildes für die falsche (eher strenge und angstgeprägte) Bedeutungsvariante entschieden haben? Vielleicht aufgrund ihr eigenen theologische Prägung, die ihnen einen eher harten und strengen Gottes vermittelt hat...?

Wenn ich mir die Bibelstellen über den gemeinschaftsuchenden und unterstützenden JHWH anschaue (der sich übrigens gar nicht so häufig mit seinem Titel "HERR" (Adonai) vorstellt sondern viel lieber mit seinem Vornamen JAHWE (JHWH)), wenn ich mir die Psalmen anschaue, wenn ich die vielen Aussagen über die Güte, Langmut, Freundlichkeit und das Erbarmen Gottes anschaue. Wenn ich mir Jesus am Kreuz anschaue, wenn ich mir die vielen Stellen anschaue, wo Jesus immer wieder vom VATER spricht. Wenn ich mir die Aussagen von Paulus über die Liebe Gottes anschaue... und wenn ich dann noch die Johannesbriefe lese, dann kann ich hier nur zu einer Entscheidung kommen:
Der Gott der Bibel, der Vater von Jesus und von uns allen, dieser Gott ist kein Gott, der abschneidet und abtrennt. Nein, dieser Gott ist einer, der die Schwachen trägt, der die Müden aufhebt, der die Ausgebrannten stärkt, der die Depressiven hochhebt aus der dunklen Tiefe ans Licht. Dieser Gott ist einer, der die Fruchtlosen so oft aufhebt und so lange trägt, bis sie Frucht bringen und auch dann nicht aufhört. Dieser Gott ist nicht einer, der die Fruchtlosen abschneidet, sondern einer der die Fruchtlosen fruchtbar macht.

Schließlich reden wir hier von dem Gott der Bibel und nicht von Allah ;-)



Interessant wäre jetzt noch eine Untersuchung der 98 Stellen im NT, wo das Wort "Airo" sonst noch vorkommt. Das würde aber jetzt den Rahmen sprengen, darum hier nur ein Beispiel:

Mt 4,6 und spricht zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab! Denn es steht geschrieben: "Er wird seinen Engeln über dir befehlen, und sie werden dich auf den Händen tragen (Anmerkung: tragen = airoo (Strongscode: 142), damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stößt. (Ps 91,12)


Hier wird ganz deutlich wie das "Hochheben" der Fruchlosen aussieht: sie werden auf Händen getragen - sie werden umsorgt und geschützt. Ist das nicht genial?

Mit anderen Worten:
Wer zu Jesus gehört (an ihn glaubt = auf Jesus vertraut, sich auf Jesus verläßt) und Frucht bringen möchte, aber zur Zeit keine Frucht bringt, weil er zu müde, zu kaputt, innerlich zu angeschlagen, zu verletzt oder zu ausgebrannt ist, der kann sich darauf verlassen, dass Gott als sein Vater mit ihm fühlt, ihn hoch hebt, ihn aus der Tiefe herausholt ans Licht, in seine Gegenwart erhebt. Gott wird den Schwachen, den Fruchtlosen keinesfalls abschneiden. (Was wäre das denn für ein Gott? Er wäre dann nicht viel besser als wir Menschen)
Nein, der Gott, der das geknickte Rohr nicht abbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen wird - dieser Gott wird auch den schwachen Fruchtlosen nicht abschneiden von der Quelle des Lebens (von Jesus). Solange der Schwache sich nicht ausdrücklich selber von Jesus lossagt (sich selber von ihm trennt), solange wird sein Vater und Gärtner nicht aufhören ihn zu umsorgen - ihn "zu pflegen und zu hegen" wie jeder gute Weingärtner das tun würde.

Ein Weingärtner (Winzer) kümmert sich intensiv und leidenschaftlich um seinen Weinstock und insbesondere um seine Weinruten. Er kümmert sich um jede Weinrute einzeln. Wobei man beachten muß, dass er pro Weinstock nur 1-2 Weinruten hat - aber dafür eben viele Weinstöcke. In dem Gleichnis ist es etwas anders: da gibt es nur den EINEN WAHREN WEINSTOCK (=Jesus), der so groß und stark ist, dass er locker Millionen von Weinruten versorgen kann.
Die weltweite Weinernte wird von Millionen Weinstöcken erbracht, an denen sich wiederum jeweils 1-2 (vielleicht auch mehr) Weinruten befinden.
Geistlich übertragen heißt das: In Jesus sind alle Weinruten und damit auch die gesamte Frucht und Ernte zusammengefaßt. Aber jede einzelne Weinrute von den vielen Millionen wird genauso individuell gepflegt als wäre sie die einzige am ganzen Weinstock.
Der Vater als Weingärtner bindet jede Weinruten einzeln hoch und richtet sie an einem Seil oder Holz aus, so dass sie genügend Sonne abbekommen. Selbst menschliche Weingärtner/Winzer sind mit dem ganzen Herzen und Begeisterung dabei, wenn es um IHRE Weinstöcke und IHRE Weinruten geht - wieviel mehr wird der Vater im Himmel sich mit ganzen Herzen und voller Leidenschaft für SEINE WEINRUTEN einsetzen. Wenn er doch schon den Weinstock (Jesus) über alles liebt - wieviel mehr dann die Weinruten (seine Kinder)? Außerdem hängen Sie ja gerade deswegen am WEinstock (an Jesus), weil ER (der Weinstock) sie hervorgebracht hat - sie sind ja Triebe, die aus ihm entstanden sind. Sie sind aus ihm hervorgegangen. Nicht die Weinruten haben den Weinstock, sondern der Weinstock hat die Ruten hervorgebracht . Nicht die Kinder tragen und ernähren die Eltern sondern umgekehrt. Genauso ist es im Glauben. Nicht die Kinder tragen und ernähren Gott, sondern Gott als ihr Vater trägt, ernährt, schützt und versorgt seine Kinder.


Nachwort:
Ich wollte nur kurz was schreiben und hab dann entdeckt, was für eine Wissenschaft der Weinbau ist. Zum Thema "Beschneiden" schreiben die Winzer sehr viel - ich hab in dem Text jetzt aber den Fokus auf die Fürsorge, Unterstützung und Liebe Gottes gelebt. Das Beschneiden müßte man noch mal ausführlich betrachten. Aber ich denke es geht nicht darum, den Menschen (die Person) abzuschneiden sondern seine inneren Wildwüsche (z.B. seine falschen Gottesbilder; und daraus entstehende Fehlhaltungen und Zielverfehlungen (=Sünden)).Denn Gott haßt zwar die Sünde, aber er liebt den Menschen. Oder anders gesagt:
Wenn es doch schon Eltern kaum "übers Herz bringen" können ihre Kinder wegen Fehlverhalten und Fehlern zu verstoßen, wie sollte Gott, der Erfinder und das Vorbild aller Elternschaft, es jemals übers Herz bringen eines seiner Kinder abzuschneiden und zu verstoßen?

Aber vielleicht hat ja mal jemand Lust dieses Thema noch zu vertiefen.

Auch zu dem ganzen Kapitel Joh 15. könnte man noch viel schreiben. Das gibt es mit Sicherheit noch viel zu entdecken.

Genug für heute! :-)